Discussion on Denglish: Neudeutsch aus der Sicht eines Engländers (zweisprachig)
Über Sprache lässt sich endlos diskutieren. Solange man dies nicht mit Schaum vorm Mund tut, sind solche Diskussionen oftmals fruchtbar und ein Anlass, seinen eigenen Standpunkt zu hinterfragen. Insofern bedauere ich es, das folgende nicht in einem Forum erörtern, sondern nur statisch kommentieren zu können.
Beim Surfen stieß ich auf diesen Blog-Eintrag des in Deutschland lebenden Engländers und professionellen Übersetzers Martin Crellin. Bei aller Wertschätzung für seine Sprachkenntnisse erinnerte mich das doch sehr an Denglischkritik à la VDS - großenteils zu Unrecht, wie sich aufgrund einer entspr. Email plus Erwiderung herausstellte (bitte zuerst lesen!). Dennoch sind wir in einem zentralen und mehreren marginalen Punkten verschiedener Meinung. Warum auch nicht?
Dear Mr Crellin, Bevor ich in die Details gehe: Der wesentliche Unterschied liegt m.E. darin, dass Sie - ganz wertfrei - die Sache wesentlich emotionaler sehen als ich. Ich kann verstehen, dass Sie durch viel falsches Englisch, die daraus resultierende Erschwernis Ihrer Arbeit und permanente Angriffe auf Ihr Sprachgefühl genervt sind. Ich dagegen stehe als sprachinteressierter Laie irgendwo zwischen "ist doch egal, solange man es versteht" und der nüchternen Sicht der Linguisten, der zufolge es bei Sprache sowieso kein 'richtig oder falsch', 'gut oder schlecht' gibt. Also: It is on you habe ich nicht absichtlich falsch verstanden. Auch meine Native-Speaker-Kollegen hier im Büro haben den Spruch wie ich interpretiert. Denn wir denken zuerst auf Englisch. Aus diesem einfachen muttersprachlichen Grund haben wir sofort die eigentliche englische Bedeutung herausgelesen (und daher habe ich falsch auf „Leo/Es geht aufs Haus“ getippt). Die eigentliche Bedeutung ist nicht „es liegt an dir“ – das wäre „now it’s up to you / now it's down to you“. Ersteres hebt Sie schon mal positiv von VDS und Co. ab. Aber sind denn die relativ wenigen englischen Muttersprachler in Deutschland wirklich die Zielgruppe? Selbstzitat: "... solange es von Deutschen für Deutsche gemacht und von Deutschen verstanden wird ...". Ich denke zuerst auf Deutsch bzw. Denglisch (ignorieren wir mal die künstliche Unterscheidung). Wohl deshalb habe ich die Aussage auf Anhieb erfasst. Ich habe:
Vielleicht versteht das nicht jeder Deutsche, obwohl die verwendeten Vokabeln im ersten Monat jedes Englischunterrichts gelernt werden. Insofern haben Sie recht: Die Werbung ist nicht gut. Aber der Einzige, dem das schadet, ist doch JonnyM selbst. Warum sollte mich das aufregen? Siehe auch meine grundsätzliche Einstellung zur Werbung, deren Denglisch-Exzesse bei der Betrachtung der deutschen Sprache m.E. völlig überbewertet werden. Apples and pears I see. Der nicht-hinkende Vergleich muss wohl noch erfunden werden. Ich meinte, man solle weder die wortwörtliche (s.o.) noch die Aussage im übertragenen Sinne außer Acht lassen. Ich habe nichts gegen Erneuerung und Veränderung. Aber Sprache soll KLAR kommunizieren. Unklare Kommunikation kann nervig, kostspielig oder gar tödlich sein. Sprache sollte auch elegant und geschmeidig daher kommen. Das tut Denglisch (oft) nicht. Stimmt! Wenn Juristen sich unklar ausdrücken, kann das sehr kostspielig werden. Wenn Ärzte im OP oder Offiziere einer Raketenbasis unklare Anweisungen geben, kann es tödlich ausgehen. Aber wenn ich mit meiner Nachbarin übers Wetter plaudere, kann das ruhig Wischiwaschi sein. Anyway: In vielen Fällen entsteht Klarheit erst durch Kontext, ob verbal oder visuell wie beim JonnyM-Plakat. Auch die vermutliche Intention sollte man immer berücksichtigen. Isolierte Wörter oder Phrasen sind nur selten selbsterklärend / klar. Ja, Sprache sollte elegant und geschmeidig sein. Das im Wortsinn 'unsägliche' Statement von Jill Sander ist das sicher nicht. Aber Deutsch wurde in dieser Hinsicht nicht erst durch Denglisch "verhunzt"; vgl. das wesentlich ältere 'Amtsdeutsch'. M.a.W.: Guter Stil hängt nicht primär von 'Denglisch oder nicht Denglisch' ab. Pigs in tone zones Grundsätzlich: Wenn ich auf diesen Seiten das beliebte VDS-Killerargument "... gibt es im Englischen nicht" mittels Google widerlege, behaupte ich damit nicht, dass ein Wort im Englischen sehr gebräuchlich / beliebt ist. Ich betrachte es einfach als existent, wenn es mehr als 10.000 Hits ergibt. Der Punkt ist: Ich verstehe nicht, warum Sie und sie dies und das nicht verstehen. Mit 'sie' sind englische Muttersprachler an sich gemeint. Mal umgekehrt: Ein amerikanischer Autofahrer in Wiesbaden fragte mich: "Weißt du der Weg zu das Bahnhof?". Das ist ganz falsches / ungebräuchliches Deutsch - aber dennoch völlig verständlich, selbst wenn er Zugstation statt Bahnhof gesagt hätte. Natürlich habe ich dem GI geholfen anstatt ihn über die Feinheiten der dt. Sprache zu belehren. Warum aber verstehen Engländer / Amis etwas entweder "gar nicht oder nur mit Mühe", sobald es nur leicht von der Norm (wer immer die festlegt) bzw. dem mehrheitlichen Sprachgebrauch abweicht??? Wenn Sie die the-Aussprache Ihres Kiwi-Kumpels "tierisch anstrengend" finden oder "ihn doch nicht verstanden" haben - wie gehen Sie dann mit dem schwäbischen Dialekt um? Wenn Sie zuerst Hochdeutsch gelernt haben, müsste Schwäbisch doch die reinste Folter und maximale Unverständlichkeit für Sie bedeuten, oder? Übrigens werden Eigennamen oft zu allgemeinen Bezeichungen: Tempo, Kleenex, Zewa, TÜV, Uhu usw. ... Auch wenn es das Fitness Studio noch nicht so weit gebracht hat: Warum sollte jemand, der vermutlich schon mal so etwas gesehen hat, z.B. auf einem Flyer, keinen Zusammenhang mit gym herstellen können? I'm sorry, grundsätzlich kann ich mich schon lange eines Verdachts nicht erwehren: Kann es sein, dass englische Muttersprachler in puncto Sprachverständnis weniger flexibel sind als wir Deutsche, die vielleicht durch
Hmmm ... bitte helfen Sie mir, es zu verstehen! Leave my language alone!!! Das meinte ich mit 'emotional'. Nein, es ist mir überhaupt nicht egal, ob jemandem etwas in der Seele weh tut. Überheblichkeit hat mir noch keiner meiner englischsprachigen Freunde und Email-Kumpels vorgeworfen. Und ich bemühe mich, niemanden elitär auszugrenzen, d.h. einem 80-Jährigen möglichst wenig Denglisch und einem 20-Jährigen keine Modewörter aus meiner Jugend zuzumuten. Aaaber ... My language or your language - that is the question Ja, Denglisch ist in vielen Fällen kein korrektes Englisch. Zwar gibt es auf Wortebene viele Übereinstimmungen (gut so). Bei den Feinheiten des Sprachgebrauchs ist das offensichtlich nicht der Fall. So what? Excuse me, in my humble oppinion it is my language. Sie werden die subjektiv empfundene Verschandelung Ihrer Muttersprache durch die Germans genausowenig aufhalten können wie ich die Vermüllung des deutschsprachigen Internets mit Falschinformationen über Denglisch. Wenn man eine Situation nicht ändern kann, kann man nur seine Einstellung dazu überdenken. Könnten Sie mit diesen Verballhornungen nicht entspannter umgehen, wenn Sie sich ebenfalls sagten: 'Denglisch ist kein Englisch - also auch kein falsches Englisch'? Nochmals: Denglisch ist doch ein Bestandteil der deutschen Sprache wie all die anderen Entlehnungen und Pseudo-Neologismen. Zu Bedeutungsveränderungen kommt es dabei immer. Denken Sie umgekehrt an die englischen (!) Wörter blitz / ersatz oder auch die Kleinschreibung aller deutschstämmigen Substantive. Keinem Deutschen bereitet das schlaflose Nächte! Einbürgerungen anderer Art: In der deutschen National-Elf bei der WM 2010 haben zwei 'Polen' und jeweils ein 'Türke', 'Tunesier', 'Ghanaer', 'Bosnier' und 'Spanier' mitgespielt: Klose, Podolski, Özil, Khedira, Boateng, Marin und Gómez - OK, letzterer nicht wirklich. Oder doch nicht? Natürlich sind alle diese Kicker Deutsche, auch wenn ihre Vorfahren es nicht waren. D.h., sie leben nach deutschen Gesetzen, nicht nach denen ihrer Herkunftsländer. Warum soll eingebürgertes Englisch sich nach der Sprachauffassung von Engländern richten? Warum sollten Wörter sich schwieriger einbürgern lassen als Menschen? An artificial language, anyone? "Nur für Germans". Im Prinzip ja, siehe oben. "Kunstsprache"? Nein. Es ist ja nicht so, dass uns Denglisch von irgendwelchen "rohen Sprachmachern" (VDS-Diktion) verordnet wird. Denglisch wird - wie die deutsche Sprache an sich - ganz demokratisch von allen Deutschen gemacht. Es ist egal, welche Denglisch-Sprechblasen Werbeleute usw. absondern - solange sie vom Sprachvolk nicht akzeptiert und wiederverwendet / multipliziert werden, ist das keine Kunstsprache, sondern gar keine Sprache. Es wird ja nicht gesprochen! Insofern ist It's on you noch nicht mal Denglisch. Wenn sich aber solche Kreationen durchsetzen: Was ist daran künstlich? Jedes Wort / jede Phrase ist irgendwann von jemandem 'erfunden' oder importiert worden. Warum sollte jemand wie ich über die Qualität entscheiden können? Ein objektives 'Richtig oder falsch' gibt es nicht, wenn man Denglisch nicht am Englischen misst. Was ist denn eigentlich "gut oder schlecht"? Es stimmt: Viele Deutsche können nicht erkennen, ob Denglisch gleichzeitig auch korrektes Englisch ist. Wenn sie nie mit englischen Muttersprachlern zu tun haben, brauchen sie das auch nicht. Wenn doch, werden sie die Unterschiede schnell lernen. Nennen Sie meine Einstellung überheblich - ich nenne sie 'Schule des Lebens'. Fazit: Eine spannende und aufschlussreiche Diskussion mit den Ergebnissen:
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P.S.: Auch lesenswert: Warum ich Denglisch hasse. Oder auch nicht.
(vermutlich Hrn. Crellins ursprünglicher Beitrag, dem ich zuvorkam) sowie
der Kommentar von Victor Dewsbery im oben verlinken Blogpost.