Was ist Denglisch?

Auf einen Blick:
  1. Denglisch besteht aus Wörtern bzw. Phrasen tatsächlich oder scheinbar englischer Herkunft.
  2. Denglisch ist jedoch kein Englisch, ergo auch kein falsches Englisch.
  3. Denglisch in der Werbung ist lediglich eine Randerscheinung und gehört nicht zur Sprache i.e.S..
  4. Denglisch findet hauptsächlich im alltäglichen Sprachgebrauch statt.
  5. Denglisch ist nicht 'undeutscher' als 'Danzösisch', 'Ditalienisch', 'Dateinisch' - und 'Deutschdeutsch'
  6. Denglisch ist ein legitimer und integrierter Bestandteil der deutschen Sprache - bloß ein relativ neuer.
  7. Denglisch ist nichts weiter als ein künstlich aufgebauschtes Scheinproblem.
 

1. Denglisch besteht aus Wörtern bzw. Phrasen wirklich oder scheinbar englischer Herkunft

Denglisch umfasst:

Ist also jeder (Pseudo)-Anglizismus Denglisch?
Der Duden definiert: "Abwertend für deutsch mit (zu) vielen englischen Ausdrücken vermischt." Aha - 'zu viele'!?! Subjektiver geht's nimmer. Schon deshalb ist eine objektive Bedrohung der deutschen Sprache durch Denglisch nicht nachweisbar. Siehe dazu auch Wikipedia.

Kriterien wie "unnötig", "überflüssig", "unschön" und "unklar" sind ebenfalls nur geistige Nebelkerzen. Das Thema 'unnötig, überflüssig' wurde bereits hier angeschnitten. Das maximal subjektive 'unschön' entzieht sich einer Erörterung. Allerdings sind denglische Wörter in der Tat "unklar" - wenn man sie aus dem Zusammenhang reißt und fordert, sie müssten per se klar und eindeutig sein. Diese Methode ist bei DeGe ebenso beliebt wie für vernünftige Menschen realitätsfern, s. auch hier (16.10.10, DeGe und Kontext ...).

2. Denglisch ist jedoch kein Englisch, ergo auch kein falsches Englisch

Denglisch mag englische Wurzeln haben oder auch nur englisch aussehen (Pseudo-Anglizismen). Aber Denglisch wird i.d.R. von Deutschen für Deutsche verwendet. Solange Deutsche das richtig verstehen, spricht rein gar nichts dagegen. Und nein, man muss kein Englisch können, um denglische Wörter zu verstehen, siehe hier.

Jedenfalls wird Denglisch nicht für englische Muttersprachler gemacht, die analog zu den DeGe meinen, eine Sprache gehöre jemandem, der über 'richtig oder falsch' zu bestimmen habe. Wenn Denglisch - übrigens nur zu ca. 10% - in der Bedeutung vom Englischen abweicht, ist das nicht anders zu bewerten als Bedeutungsabweichungen innerhalb des englischen Sprachraums, über die sich ja auch niemand aufregt:
first floor, to table, hood, bathroom, gas ...

Englische Muttersprachler sollten also in dieser Hinsicht den Ball flachhalten. Unser Wortschatz geht sie gar nichts an. Wir beschweren uns doch auch nicht, dass blitz oder ersatz 'falsches Deutsch' seien!

 Surftipp: "Wir sind Englisch => Denn Englisch ist längst nicht mehr die Sprache der Engländer."

3. Denglisch in der Werbung ist lediglich eine Randerscheinung und gehört nicht zur Sprache i.e.S.

DeGe hängen sich bei der Begründung ihrer Panikmache hauptsächlich (leider nur bildlich) an der Werbung auf: 'Meine Oma versteht die Werbung fürs iPad nicht; also ist Denglisch Mist'. Mal abgesehen davon, dass man Werbung sowieso nicht ernstnehmen sollte (s. hier) - was hat sie denn mit Sprache zu tun?

Selbst relativ langlebige Werbeslogans wie "Colour your life", "There's no better way to fly", "Come in and find out" haben nie Eingang in die deutsche Sprache gefunden. Niemand (außer den Urhebern) sagt oder schreibt sowas! Als einziger Slogan, der es in die deutsche Sprache geschafft hat, fällt mir ad hoc das ulkige Verona-deutsche "Da werden Sie geholfen!" ein.

Sprache entsteht erst durch die Verwendung seitens der Sprecher. Wenn jemand ein Banner 'Deulisch sit gehumpfsam' aus dem Fenster hängt, aber niemand diese Kreation aufgreift, ist das keine Sprache.
Ob in der Werbung wirklich überproportional viel Denglisch verwendet wird, ist umstritten.
Aus dieser Nicht-Sprache eine Gefahr für die deutsche Sprache abzuleiten, ist Unfug.

BTW: Die Denglisch-Nische der Wissenschaft ist für die sprachliche Gesamtsituation ähnlich unerheblich, s. hier.
Und für Wirtschafts-Denglisch gibt es verdammt gute Gründe, s. hier.

4. Denglisch findet hauptsächlich im alltäglichen Sprachgebrauch statt

Real existierende Denglisch-Sprache manifestiert sich in alltäglich gesagten Sätzen wie:

5. Denglisch ist nicht 'undeutscher' als 'Danzösisch', 'Ditalienisch', 'Dateinisch' - und 'Deutschdeutsch'

Wie oben an den Beispielen downgeloadet, chillen und gecancelt zu sehen, fügen sich urspr. englische Verben problemlos und natürlich in die traditionelle deutsche Grammatik ein. Daran ändert auch die missglückte (Microsoft?-) Übersetzung 'gedownloadet' nichts, die von DeGe gern als Scheußlichkeitsbeweis angeführt wird. Niemand muss das benutzen - genausowenig wie 'gerunterladen'.

Bei Substantiven gibt es diesbezgl. erst recht kein Problem:
Das Blog / die Blogs, das Know-how / des Know-hows. Das Geschlecht - bei Sachen eh eine völlig überflüssige Schikane der dt. Sprache - ist beliebig: Sie verstehen doch der / die / das Shuttle gleichermaßen - schon weil es im Deutsch-Deutschen in dieser Hinsicht genauso durcheinandergeht: die Butter, das Radio? Nicht so im Süden der Republik, wo es der Butter und der Radio heißt!

Ob man vor das Genitiv-S einen Apostroph setzt, ist ebenfalls unerheblich; die DeGe-Pöbelei vom "Deppen-Apostroph" kann man getrost an sich abprallen lassen. 600 Mio. englische Muttersprachler können nicht allesamt Deppen sein. Man bezeichnet schließlich auch nicht diejenigen sprachlich unsouveränen Zeitgenossen als Deppen, die sich an eine 'einzig richtige' Schreibweise klammern müssen.

Etwas anders sieht es bei Adjektiven aus: 'Der Gewinner ist happy' ist ebenfalls problemlos, aber 'Der happye (?) Gewinner' klingt seltsam - und wird deshalb nicht gesagt, sondern vom 'glücklichen Gewinner' gesprochen. Auch hier findet also keine Verdrängung, sondern ein friedliches, sich ergänzendes Miteinander von Denglisch und traditionellem Deutsch statt.

Übrigens ist das Problem der eingeschränkten Anwendbarkeit kein typisch denglisches: 'Mein Bruder ist gut drauf' geht, aber 'mein gut draufer Bruder' nicht. Und wenn man schon ein Problem daraus konstruieren will, ob es forgewardet oder geforwardet heißt, sollte man sich mal fundamentaldeutsche Verben wie 'bausparen' anschauen. Na, wie heißt das Partizip?
Like me on Facebook! Auch hier hat die dt. Sprache ein Problem: Zwar würde 'Gesichtsbuch' unter all den Krampfübersetzungen im VDS-Anglizismen-Index nicht weiter auffallen - aber es gibt keinen Imperativ von 'mögen'!

Bei der verzweifelten Suche nach irgendwas 'Undeutschem' fällt einem wackeren DeGe natürlich noch die Abweichung zwischen Schreibweise und Aussprache ein. Dazu habe ich schon hier (Geschrieben wie gesprochen ...) einiges klargestellt. Jedenfalls gibt es in Lehnwörtern nicht-englischer Herkunft dasselbe Phänomen: Friseuse, Chauffeur, Giro, Lasagne, Nation ... Kein DeGe regt sich darüber auf.

Aber im DeGe-Universum lässt sich jede Albernheit noch toppen: Angeprangerte (angebliche) Lehnübersetzungen sind entweder originär deutsch oder sie bestehen aus grammatisch wie semantisch völlig korrekten Konstrukten 'rein deutscher' Wörter - quod erat demonstrandum / was zu beweisen war (Lehnübersetzung!), und zwar in diesem Blogpost.

6. Denglisch ist ein legitimer und integrierter Bestandteil der deutschen Sprache - bloß ein relativ neuer.

Denglisch ist kein Schimpfwort, auch wenn es von dessen Gegnern so gemeint ist! Es symbolisiert vielmehr sehr treffend die Vermischung von Sprachen, die es schon immer gab, heute gibt und immer geben wird. Lediglich die Gewichtung stimmt nicht: Treffender wäre Edeutsch, und selbst darin wäre Englisch angesichts von ca. 6. 000 Anglizismen im Gesamtwortschatz von 400.000 - 500.000 Wörtern noch überrepräsentiert.

Ohne zig Tausende Wörter lateinischen, griechischen, französischen Ursprungs wäre die deutsche Sprache ärmer und nicht wiederzuerkennen. Es spricht also rein gar nichts dagegen, Anglizismen ebenso zu assimilieren. Das ist z.B. bei Start, Stop und Sport längst so gründlich geschehen, dass dabei niemand mehr an Englisch denkt.

Auch DeGe akzeptieren größtenteils 'mittelalte' Anglizismen wie Baby, Spray oder Trainer als 'nicht-denglisch'. Denglisch scheint grundsätzlich nur das zu sein, was unserer Muttersprache in den letzten 25 Jahren durch finstere sprachimperialistische Mächte aufgenötigt wurde.

Das einzige Abgrenzungskriterium gegenüber allen anderen fremdsprachlichen Einflüssen ist also die relative Neuheit der Denglisch-Wörter. Bloß: Jedes Wort war doch irgendwann mal neu! Auch dieses Kriterium ist also völlig unlogisch und entspringt lediglich mangelnder geistiger Flexibilität.

M.a.W.: Die Unterscheidung Denglisch - Deutsch ist willkürlich und künstlich; sie macht überhaupt keinen Sinn. Denglisch 4ever! habe ich diese Website nur genannt, um auf eben diesen Unfug einzugehen und weil 'VDS-Deutsch für immer' doch sehr, sehr merkwürdig klingt. ;o)

7. Denglisch ist nichts weiter als ein künstlich aufgebauschtes Scheinproblem

Fazit: Es gibt kein reales Denglisch-Problem.
Denglisch ist , was Denglisch-Gegnern gerade nicht gefällt. Denglisch definiert jeder subjektiv nach seinen persönlichen Maßstäben. Willkür und Inkonsequenz bei der Denglisch-Definition gehen gar soweit, dass man einerseits den Single als "Made im Speck" der deutschen Sprache verdammt, ihn auf einer anderen Seite desselben Vereins jedoch in der deutschen Sprache willkommen heißt.

All das wäre eigentlich nicht schlimm: Schließlich bleibt es jedem unbenommen, sich mit Überfremdungsphantasien selbst um den Schlaf zu bringen, das Deutsch von 1985, 65 oder 45 für das einzig wahre zu halten und seinen eigenen Sprachgebrauch daran auszurichten. Diese kuriose Weltsicht jedoch anderen per (Grund-) Gesetz aufzwingen zu wollen, ist eine Anmaßung sondergleichen.

Nun ist vermutlicher nicht jeder DeGe unfähig, eine Systematik darin zu erkennen, dass Deutsch im ewigen Sprachwandel noch nie untergegangen ist, sondern vielmehr davon profitiert hat. Aus vielen DeGe-Statements ergibt sich ganz klar, dass es bei der Denglisch-Hysterie oft nicht wirklich um Sprache und schon gar nicht um deren Verständlichkeit geht. Mehr darüber an anderer Stelle ...