Z i t a t e  - von Fachleuten statt Sprachchauvis!

  Vormerkungen
Auf VDS-Seiten wimmelt es nach dem Motto 'Masse statt Klasse' von Zitaten zweitklassiger Dichter des 18. und 19 Jahrhunderts, als nationaler und sprachlicher Chauvinismus mega-in waren. Schon damals waren die Deutschtümler nicht mit gedanklicher Konsequenz gesegnet, z.B. ein gewisser Johann Paul Friedrich Richter, der seinen schönen deutschen Namen durch das 'dranzösische' Pseudonym Jean Paul ersetzte, aber auch Deutsch als "Orgel unter den Sprachen" bezeichnete. Reich an Klangfarben - ja! So schwerfällig wie eine (Pfeifen-)Orgel - nein!

Allerdings hat man (wohl versehentlich) auch die u.a. Zitate unseres Dichterfürsten und Kosmopoliten Johann Wolfgang von Goethe im Angebot - und ihn ob seiner Offenheit gegenüber Fremdsprachlichem sogleich entadelt: . Äußerungen von Politikern, die sowieso jedem nach dem Munde reden, sind für eine seriöse Beurteilung der Sprachsituation ebenso irrelevant wie subjektive Vorlieben von (mehr oder weniger) Prominenten.

Beschränken wir uns demgegenüber auf Zitate wirklicher Fachleute und Meister der deutschen Sprache!
Zu ersteren zählen natürlich vor allem Linguisten, die von DeGe wg. mangelnder Panikmache grundsätzlich ignoriert werden. Es ist schon tragikkomisch, wenn pensionierte Dipl.-Ingenieure meinen, sich mit Sprache besser auszukennen als Wissenschaftler, die sich seit Jahrzehnten professionell damit beschäftigen.

Neue Zitate sind jeweils mit dem - für Deutsche natürlich völlig unverständlichen - -Tag gekennzeichnet. ;)

  • Je mehr Wortbestand eine Sprache mit anderen gemeinsam hat, umso größer ist ihre Wettbewerbsfähigkeit. Die englische Sprache selbst besteht zu guter Hälfte aus Wörtern anderer Sprachen, und sie ist ja auch nicht untergegangen, wie wir wissen.
  • Nein, wir brauchen kein Sprachschutzgesetz wie in Frankreich, wo der Gebrauch von Fremdwörtern mit gerichtlichen Strafen verfolgt wird und Sprachzensur sowie Sprachschnüffelei betrieben werden.
  • Viele Sprachreiniger glaubten - ähnlich wie noch heute viele Sprachkritiker - die Sprache vor dem Sprachgebrauch der Sprachgemeinschaft schützen zu müssen, als ob die Sprache ein mythisches Wesen sei, dem die Sprecher zu dienen hätten. Die Sprache gehört vielmehr der Sprachgemeinschaft und dient ihr als Verständigungs- und Ausdrucksmittel.
  • Vor allem waren die Sprachreiniger gewohnt, die Wörter des gegenwärtigen Sprachgebrauchs nach ihrer Herkunft zu werten. [...] Da die meisten dieser 'Sprachfreunde' mehr oder weniger - mindestens während ihrer Gymnasialschulbildung - durch die Schule der traditionellen Philologie gegangen sind, handelt es sich bei der puristischen Sprachwertung um popularisierte und pervertierte Wissenschaft, ...
  • Dann gibt es nach meiner Kenntnis die Gruppe der sogenannten Sprachfreunde, die ein kulturelles Pflegebedürfnis zu ihrem Hobby gemacht haben, Sprachpuristen als Sprachkritikaster, also Leute, die Sprache um ihrer selbst willen vor ihrem Sprecher schützen wollen.
    Dr. Peter von Polenz, Prof. für germanistische Linguistik (em.)
  • Die Gewalt einer Sprache ist nicht, dass sie das Fremde abweist, sondern dass sie es verschlingt.
  • Der Deutsche soll alle Sprachen lernen, damit ihm zu Hause kein Fremder unbequem, er aber in der Fremde überall zu Hause sei.
  • Wer fremde Sprachen nicht kennt, weiß nichts von seiner eigenen.
  • Ich verfluche allen negativen Purismus, dass man ein Wort nicht brauchen soll, in welchem eine andre Sprache Vieles oder Zarteres gefasst hat.
    Johann Wolfgang von Goethe
  • Goethe wäre froh gewesen, wenn er unseren heutigen Wortschatz gehabt hätte. Natürlich ist vieles verlorengegangen – das ist zu jeder Zeit passiert, und das kann man beklagen –, aber mehr noch ist hinzugekommen.
  • Man hat ausgerechnet, dass es 15 Prozent Fremdwörter im Deutschen gibt; ein Prozent davon sind Anglizismen. Der Anteil der Fremdwörter ist also relativ groß, der Anteil der Anglizismen dagegen noch relativ gering. Die Anglizismen-Gegner sind immer nur gegen die jüngsten Fremdwörter.
  • Ich kenne kein einziges deutsches Wort, das durch ein englisches verdrängt worden wäre. Es werden nur Bedeutungen weiter differenziert. Das häufig gehörte Wort «Kids» verdrängt zum Beispiel nicht das Wort «Kinder».
    Rudolf Hoberg, Prof. für germanistische Sprachwissenschaft,
    Vorsitzender der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS)
  • Die Auslandsgermanisten klagen darüber, dass aus Deutschland permanent die Nachricht kommt, das Deutsche sei nicht in Ordnung. Das macht es für sie schwer, die deutsche Sprache zu vertreten.  
  • Doch gerade die Sprachsolidarität wird von Leuten wie Bastian Sick oder den Fremdwortjägern im Verein von Walter Krämer untergraben. Denn hier wird den Leuten gesagt, dass ihre Sprache und ihr Sprachgebrauch schlecht seien.
  • Die deutsche Sprache war noch nie so gut in Form wie heute. Gar keine Frage! Das Deutsche hatte noch nie einen so großen Wortschatz. Und wir haben heute im Bereich der Syntax wahnsinnig feine Differenzierungsmöglichkeiten – viel größere etwa als zur Zeit der Klassik.
  • Der normale Sprachgebrauch ergibt sich aber nicht dadurch, dass jemand die Norm setzt und sagt: „Ich weiß, was gut und richtig ist.“.
    Dr. h.c. Peter Eisenberg, Prof. (em.) für Deutsche Sprache der Gegenwart,
    u.a. Träger des Konrad-Duden-Preises
  • Wir haben keinen Grund zur Panik. Die deutsche Sprache ist sexy [sic!] und wird nicht untergehen.
  • Die Sprache der Deutschen ist Deutsch, was denn sonst? Chinesisch?
    Marcel Reich-Ranicki, Literaturkritiker und Träger unzähliger Kulturpreise, zu 'Deutsch ins Grundgesetz'
  • Seit 1945 sind allerdings allenfalls etwa 3500 englische Wörter in den Allgemeinwortschatz aufgenommen worden. Viele der als überflüssig beklagten Anglizismen sind Fachwörter (Computerwortschatz, Wirtschaftswissenschaften) oder begegnen uns für kurze Zeit in der Werbung, in der Mode, in der Popmusik, um dann ebenso sang- und klanglos zu verschwinden ...
  • Peter von Polenz ... hat ... gezeigt, dass in Deutschland der öffentliche Kampf gegen Wörter aus anderen Sprachen - zunächst gegen die Vorherrschaft des Lateinischen, dann des Französischen - eng verbunden ist "mit einer politischen Aktivierung des Nationalgefühls", schließlich mit Nationalismus bis hin zur Deutschtümelei.
  • Aber man lasse die deutsche Sprache sich entwickeln, frei von Sprachreinigungsgesetzen und sprachdiktatorischen Listen auszumerzender Fremdwörter. Denn "Sprache ist ein wichtiges Element der Demokratie", ...
    Dr. Peter Schlobinski, Prof. für germanistische Linguistik
  • Bei der Aktion des VDS geht es also inhaltlich um rein gar nichts. Es ist reine Selbstinszenierung.
  • Sprache ist in einem stetigen Veränderungsprozess, unter anderem deshalb, weil die Sprachgemeinschaft sie ständig ihren kommunikativen Anforderungen anpasst. Dabei spielt, ob es einem nun gefällt oder nicht, die Entlehnung von Wörtern eine zentrale Rolle und zwar nicht erst heute und nicht nur im Deutschen, sondern schon immer und überall. Und noch nie ist eine Sprache deswegen ausgestorben oder hat auch nur das kleinste bisschen an Ausdruckskraft eingebüßt.
  • Eigentlich interessant an dieser Meldung ist aber die Behauptung, der Begriff Public Viewing sei ein „Scheinanglizismus“ mit dem englische Muttersprachler „die öffentliche Aufbahrung von Toten“ bezeichneten. Diese Interpretation des Begriffs ist mir zwar vertraut, aber es ist nicht unbedingt die erste, und mit Sicherheit nicht die einzige Bedeutung, die mir in den Sinn kommt. Viel häufiger ist im englischen Sprachraum die Bedeutung „Akteneinsicht durch die Öffentlichkeit“, aber auch jede andere Art von Ereignis, bei der es öffentlich etwas zu sehen gibt, kann im Englischen mit public viewing bezeichnet werden — etwa öffentliche Theater- und Filmvorführungen, Vorführungen in Sternwarten, Kunstausstellungen, und natürlich auch die Übertragung von Fußballspielen auf Großbildleinwänden.
    Anatol Stefanowitsch, Prof. für anglistische Sprachwissenschaft

Fairerweise soll aber auch die Gegenseite zu Wort kommen:

  • Ich selbst nutze in meinen Vorlesungen sogar dann englische Wörter, wenn es deutsche dafür gibt, aber wenn die englischen halt kürzer sind. […] Wenn es knackiger ist und eine Lücke füllt, habe ich keine Berührungsängste.
    Walter Krämer, Prof. für Wirtschafts- und Sozialstatistik, Vorsitzender des VDS,
    u.a. Mitglied in Faculty and Board of Management der Ruhr Graduate School in Economics

Wie heißt es so schön in US-imperialistischen Gerichtsfilmen? "Keine weiteren Fragen, Euer Ehren!"

Die Quellen aller Zitate können Sie gern ergoogeln. Märchenstunden gibt es woanders.
Vollständige Aufsätze und Interviews der o.a. Wissenschaftler finden Sie u.a. auf der Denglisch 4ever!-Linkpage.