denglisch4ever

 Die zehn Denglisch-Begriffe mit dem größten Nörgelfaktor - mal ohne Schaum vorm Mund gesehen

Die Auswahl ist nicht statistisch abgesichert, sondern erfolgte subjektiv anhand der Frage:
Worüber habe ich das meiste unqualifizierte Gequengel gehört?

 10. Beamer

Beamer ist umgangssprachliches Amerikanisch für 'BMW' - wieder mal eine typische DeGe-Halbwahrheit, denn weit häufiger ist bimmer:



Egal. Auch wenn der Amerikaner ein BWM-Motorrad beamer nennt, ist die deutsche Verwendung allemal näher an der ursprünglichen Bedeutung von to beam, nämlich '(an)strahlen'. Hier haben sich die sonst so abkürzungsbegabten Anglophonen mit ihrem 'Bih Em Dabbljuh' schlicht selbst ins Knie geschossen und weichen deshalb auf ein kurzes Kunstwort aus. Warum auch nicht? Der englische projector wird im Deutschen halt Beamer genannt. Warum auch nicht? Beam me up, Scotty - to a DeGe-free space!

 9. Das macht nicht wirklich Sinn.

Das ist doch gar kein Denglisch, sagen Sie? Richtig! Natürlich ist es völlig korrektes Deutsch. Man sagt ja auch "Das macht nicht gerade Freude". Hier wird deutschen Redewendungen tatsächlich 'vorgeworfen', dass es im Englischen etwas gibt, das sich 1:1 übersetzen lässt: not really und makes sense. Muss man es gar bedauern, dass Deutsch und Englisch eng verwandte Sprachen sind? Wann wird der 'erste Stock' angefeindet, weil es im UK den first floor gibt?

Verwendet wurde 'nicht wirklich' übrigens schon von folgenden "rohen Sprachpanschern":

"Auch er vermag sich nicht wirklich in die Luft zu schwingen — und das weniger, weil er die Gewichte am Fuß nicht zu heben imstande ist, als weil ihn das ungeheure Gewimmel um ihn nicht los, nicht hoch läßt …" - Christian Morgenstern

"Gut, wenn in solchen Fällen die erhitzte Einbildungskraft Blut zu sehen glaubt; aber das Auge muß es nicht wirklich sehen." - Gotthold Ephraim Lessing

"Denn, wiewohl man sich nicht wirklich so ausdrückt, so ist doch ein solcher Einfluß der Vernunft auf die Einteilungen der Naturforscher sehr leicht zu entdecken." - Immanuel Kant
Obige Beispiele gefunden im Bremer Sprachblog.
Dort auch lesenswert: Seit wann machen wir im Deutschen Sinn?.

 8. Rail & fly

Das heißt angeblich "schimpf und fliege". Na und? Wer sich auf eine Abenteuerfahrt mit der Deutschen Bahn begibt, hat wahrlich oft genug Grund zum Schimpfen. Im Ernst: to rail kann durchaus auch schienenbezogen sein. Vermutlich ist jedoch eher das Substantiv rail gemeint; das wäre dann sprachlich nicht ganz sauber, denn fly ist hier eindeutig ein Verb. Trotzdem versteht man es mit ein bisschen gutem Willen richtig: "Fahr mit der Bahn und flieg". Leider stand dieses Quäntchen guter Wille dem DeGe beim Nörgeln im Wege, blieb sozusagen auf der Strecke und wurde vermutlich vom nächsten Intercity überrollt.

 7. BP - beyond petroleum

"Ich gehe mal zu BP und möchte dort Beyond kaufen. Ich verstehe ja nicht, was gemeint ist.", musste ich mir schon mehrfach anhören. Wenn es - unter Verzicht auf den Akronym-Bezug (BP) und damit den Witz des Ganzen - 'Jenseits von Erdöl' hieße, wäre dem DeGe allerdings auch nicht geholfen. Auch das Jenseits kann man nämlich an der Tanke nicht kaufen; da wären ein Waffenladen oder eine Seilerei schon eher zielführende Adressen. Ernsthaft: Hieße es 'brglpykton petroleum', würde das wirklich niemand verstehen. Aber würden Sie als vernünftig denkender Mensch auf die Idee kommen, brglpykton sei etwas, das bei BP man kaufen könne? Na also!

 6. Coffee to go

Vorbemerkung: to go lässt sich natürlich auch auf Pizza und weitere Grundnahrungsmittel anwenden. Bloß habe ich noch nie jemanden über das undeutsche Wort Pizza zetern gehört. Beide Varianten sind jedenfalls weltweit gebräuchliches Englisch.

Wagen Sie nun den Selbstversuch:
a) Bestellen Sie bei Starbucks einen großen Kaffee zum Mitnehmen. Nach diversen Nachfragen bzgl. dessen Zusammensetzung bekommen Sie ein braunes Gebräu, das passabel schmeckt und dank des Koffeins ihre Lebensgeister weckt.
b) Bestellen Sie fünf Minuten später bei Starbucks einen großen Coffee to go. Nach identischer Beantwortung diverser Nachfragen bekommen Sie ein braunes Gebräu, das genauso schmeckt wie das vorige. Ehrlich! Geschmacklich gibt es keinen Unterschied zwischen deutsch und denglisch! Also alles im grünen Bereich? Nicht wirklich! Nach einer Weile befällt Sie ein leichtes Herzrasen! O, oooh ... das kann nur an dem verderbten Anglizismus liegen, den Sie ruchloser, ignoranter, roher Sprachverderber und -hunzer benutzt haben! Oder sollte es eine ganz rationale Erklärung geben?

 5. Blockbuster

Ja, ein Blockbuster war im 2. Weltkrieg eine Bombe. Zum Glück ist das nun 65 Jahre her. Im heutigen Alltags-Englisch bedeutet Blockbuster dasselbe wie im Deutschen: Kassenschlager, Straßenfeger. Denn - Überraschung! - auch im Englischen gibt es einen Sprachwandel! Außerdem gibt es eine internationale DVD-Verleihfirma: Blockbuster. Auf den ersten DeGe, der dort eine Bombe ausleihen möchte, wird noch gewartet ...

 4. Service Point

Mal angenommen, im Bahnhof ihres Heimatorts hängt plötzlich ein Schild Service Point - an derselben Stelle, wo letzte Woche noch 'Auskunft' stand. Was denken Sie?
a) Och, die Auskunft ist weg! Wo kann ich denn hier was fragen? Service Point verstehe ich nicht; ich kenne nur das Serviceintervall bei meinem Auto, den miesen Service meines Internet-Providers und die Servicewüste Deutschland. Und die Menschen in Bahn-Uniform, die sich an dem Schalter mit Menschen ohne Bahn-Uniform unterhalten, gehören bestimmt zum Vorstand, der gerade mit seinen Lieferanten über hitzetaugliche Klimaanlagen und bruchsichere Waggonachsen verhandelt.
b) Aha, die Auskunft heißt jetzt Service Point. Gut so, denn jetzt wissen auch ausländische Bahnfahrer, wo ihnen eventuell geholfen wird, auch wenn sie selber eher service desk sagen würden.
Glückwunsch zu b)! Und mein Mitgefühl dafür, dass DeGe Ihnen a) unterstellen, d.h. Sie offenbar für total bescheuert halten!

 3. Come in and find out

2. Wenn Sie der Einladung come in folgen und eine Drogerie betreten, tun Sie das doch nicht, um möglichst schnell den Ausgang zu finden, sondern um z.B. ein neues Eau de Toilette (also ein total deutsches, weil nicht-denglisches Kulturgut!) ausfindig zu machen. DeGe jedoch machen sich tatsächlich die Mühe:
a) die Intention der Werbung zu pervertieren
b) Wörter hinzuzudichten (find your way out bzw. finde wieder heraus)
c) unter den Teppich zu kehren, dass auch 'herausfinden' die Bedeutung 'in Erfahrung bringen, entdecken' hat.
Lerneffekt: Wenn man etwas partout falsch verstehen will, versteht man es eben falsch.

 2. Handy

Wenn Sie in New York ein Handy kaufen wollen, wird man Sie in der Tat nicht verstehen. Wenn Sie stattdessen ein Mobiltelefon verlangen, wird man Sie ebenfalls nicht verstehen. Selbst wenn Sie das aufschreiben, wird der Verkäufer bestenfalls ins Lager eilen und nach einem Restposten des Auslaufmodells 'Autotelefon' suchen. Also ein weiteres klares Unentschieden zwischen Denglisch und Deutsch.

Übrigens wissen die Briten durchaus, dass ihr mobile (phone) in den USA cell (phone) heißt - und umgekehrt. Also könnten unsere anglophonen Freunde rein theoretisch auch wissen, dass es in D'land Handy heißt. Das ist in der Regel nicht der Fall. So what? Ist das unser Problem?

Aber handy ist doch ein Adjektiv und schon deshalb völlig falsch, sagen die DeGe. Was sagen die native speakers? ‚Call me on my cell / mobile'. Die urspr. Adjektive wurden zu Substantiven. Warum soll handy nicht genauso substantiviert werden? Die DeGe-Argumentation ist auch in diesem Punkt unseriös; das Unseriöse daran ist zu verschweigen, dass sich im Deutschen doch jedwedes Adjektiv substantivieren lässt!

BTW: Im Zusammenhang mit Telekommunikation wurde handy, aus Marketinggründen handie geschrieben, erstmals von der US-Firma Motorola verwendet: Die Nachfolger des legendären Walkie-Talkie's bezeichnete man einst als Handie-Talkie:

handie-talkie

Surftipp: Der Spiegel: Call me on my Handy!


 1. Public Viewing

Und nun zum unangefochtenen Spitzenreiter in puncto anfechtbarer Argumentation, mangelnder Sachkenntnis und Realitätsverweigerung gegenüber der normativen Kraft des Faktischen: der sprachhüterischen Verdammung des Public Viewing!

Zunächst mal:
Public Viewing ist lexikalisch und grammatisch korrektes Englisch. Viewing wird in einigen Lexika (Duden Oxford, Reverso) als 'Fernsehen' aufgeführt, in allen als 'Besichtigung'.

Zitate von native speakers:


Ein US-Amerikaner, zweisprachig:
"a. Ich würde es als "generell" hören.
 b. Es ist keinesfalls "falsches englisch", obwohl es nicht unbedingt präzise ist."

Ein Engländer:
"Public viewing” without context means to me –
An exhibition at an art gallery. A list of proposed housing plans at the local library."

Ein Kanadier:
"As for Public viewing, I think it is acceptable for use in all of the cases you brought up. It is the context in which you say it that gives the true meaning. Very few people would say simply, "Hey, let's go to the public viewing".
A Brit may say: "There is a public viewing of the Thyssen art collection, let's go". An American might say: "Can you come with me to my grandfather's public viewing, it would be nice to have some support". But all are valid in my opinion …"

Ein Engländer, zweisprachig:
"Das ist mir doch egal, was die Deutschen dazu sagen!".



Punkt für Punkt:

 "Public Viewing heißt Leichenschau" ist zu 100% Mumpitz. Wer in seiner Muttersprache den Unterschied zwischen Leichenschau und Aufbahrung nicht kennt, sollte bei der Diskussion über (ehemals) Fremdsprachliches "einfach mal die Klappe halten" (Dieter Nuhr).

 "Public Viewing heißt Aufbahrung" ist auch nicht viel richtiger. Der Vorgang der Aufbahrung heißt auf englisch laying-out. Gemeint ist ein letzter Blick (view!) auf den Verstorbenen, um Abschied zu nehmen. OK, seien wir nicht zu pedantisch; im Deutschen wie im Englischen wird das nicht so streng unterschieden. Aber wo bleibt das public? Wenn im engsten Familienkreis Abschied von Joe Average genommen wird, heißt das nur viewing.

 "Public Viewing heißt öffentliche Aufbahrung". Jetzt kommen wir der Sache etwas näher. Ja, nach dem Tode Michael Jackson's gab es ein public viewing. Kündigt ArtDaily.com public viewings in Museen und Galerien an, ist hingegen jedem klar, dass es um Kunstausstellungen und eben nicht um eine öffentliche Aufbahrung geht. Und die New York Times verwendet es gar genauso wie die ach so ignoranten Deutschen: "A festival of films about soccer will end in a public viewing of the final World Cup match ...". Sollten denn amerikanische Redakteure wirklich schlechter Englisch können als deutsche Altphilologen?

Nächstes Märchen:

Public Viewing i.S.v. 'öffentliches Fußballgucken' wurde von Deutschen mit "armseliger" Kenntnis ihrer Muttersprache erfunden, die "in ihrer Hilflosigkeit Zuflucht zu einer fremden Sprache nehmen zu müssen glaubten", wie ein DeGe öffentlich phantasierte. Falsch! Es wurde vom Weltverband FIFA bereits zur WM 2002 in Südkorea eingeführt - natürlich nicht auf deutsch. Es wurde aber 2002 hierzulande in den Fernsehnachrichten vorgestellt und erklärt (ich erinnere mich) und evtl. auch durchgeführt (ich erinnere mich nicht).

Public Viewing 2002


2006 wurde Public Viewing unübersetzt in Deutschland überaus populär. Warum auch nicht? Weil es im US-Englisch oft ‚öffentliche Aufbahrung' bedeutet? Vielleicht werfen die DeGe mal einen Blick auf ein ähnlich vieldeutiges Wort ihrer Muttersprache:
Wollte man wirklich so konsequent pietätvoll sein, müsste man doch auch das Frankfurter Kreuz meiden, dürfte weder 'im Kreuz haben' noch beim Skat 'Kreuz' spielen und erst recht nicht 'drei Kreuze machen'! Denn an einem Kreuz starb doch (neben Tausenden von Menschen) Jesus Christus, von den Millionen 'im Namen des Kreuzes' ganz zu schweigen! Aber gedankliche Konsequenz ist einem DeGe anscheinend fremder als das fremdeste Denglisch.

Wie auch immer: Nennen wir das öffentliche Fußballgucken weiterhin Public Viewing und lassen uns nicht von Spracheiferern den Spaß daran vermiesen!

Fazit

Wir haben etwas über Denglisch und sehr viel über ein gängiges DeGe-Argumentationsmuster gelernt:
Man klaube sich aus Wörterbüchern stets diejenige Bedeutung heraus, die dem deutschen Sprachgebrauch am meisten widerspricht, und behaupte dann, Denglisch sei falsches Englisch. Seriöse Argumentation ist das nicht!

Damit soll nicht gesagt sein, dass alle o.a. Begriffe gebräuchliches Englisch sind und von englischen Muttersprachlern richtig verstanden werden - eigentlich der beste Beweis dafür, dass Handy, Bodybag, Oldtimer, Talkmaster usw. etc. pp. eigenständige Elemente der deutschen Sprache sind! Warum eigentlich titulieren DeGe Andersdenkende als "amerikahörig", machen sich aber ins Hemd, wenn Deutsche es 'wagen', sich (denglisch) anders auszudrücken als Amerikaner??? Wer ist denn hier wirklich "amerikahörig"???

Und nochmals zum Mitschreiben: Die deutschen Übersetzungen von Pseudo-Anglizismen werden doch im Ausland oder von ausländischen Besuchern der BRD genausowenig verstanden! Was spricht diesbzgl. gegen Denglisch???